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Ein Computer fürs Handgelenk! So lautet das Versprechen. Die Ultra kommt als Apple Watch dieser Idee am nächsten – „function over form“. Allerdings differenziert auch watchOS 10 weiterhin nicht zwischen den Ultra- und Series-Modellen.

Bild zeigt Apple Watch Ultra 2 Handgelenk mit Modular-Ultra-Watchface.

Nach den ersten 10 Monaten mit Apple Watch Ultra trage ich seit zwei Monaten die zweite Version. Nicht einmal die eigene Rückseite verrät die neue Hardware. Man muss wissen, dass das Apples zweiter Anlauf ist. Beispielsweise durch die neue Doppeltipp-Geste, die uns vier Wochen nach Verkaufsstart – mit watchOS 10.1 – auf der neuen Uhr erreichte.

Die Erkennung funktioniert ausschließlich bei aktiviertem Bildschirm; dann klapp’s jedoch erstklassig. Allerdings ist auffällig, dass neben dem diesjährigen watchOS-Redesign die neue Interaktion ohne Bildschirmberührung nur angedacht, noch nicht vollständig durchdacht, wurde.

Stellt man sich etwa einen Smart-Stapel zusammen, blättert ihr mit der doppelten Zusammenführung des Zeigefingers und Daumens durch die Informationen der dort platzierten Widgets. Diese Interaktion sticht hervor, weil die Doppeltipp-Geste ansonsten keine Informationen hervorbringt, sondern Aktivitäten stoppt, pausiert oder startet – von Timern über Stoppuhren bis Wecker, Trainingserinnerungen und eintreffende Benachrichtigungen. Die einzige Ausnahme: Ihr scrollt durch eintreffende Mitteilungen von Apples Nachrichten-App.

Anstelle die Apps im Smart-Stapel durchzublättern, lässt sich die Doppeltipp-Geste auch anders konfigurieren. Wahlweise öffnet sie den Smart-Stapel und führt mit einer wiederholten Geste eine Aktion auf dem ersten Widget aus – etwa pausiert sie eine laufende Podcast-Wiedergabe.

Was eine Doppeltipp-Geste wo macht, lernt man jedoch nur durch Ausprobieren. watchOS setzt – eher ungewohnt – aufs Trial-and-Error-Prinzip.

Insgesamt beschleicht mich das Gefühl, dass watchOS 10 einen Neubeginn darstellt. Apple scheint sich von einem App-zentrierten Betriebssystem für die Uhr zu entfernen. Die Zukunft gehört Widgets mit „glanceable“ Informationen.

Diese Idee ist nicht neu; das Siri-Zifferblatt scheitert jedoch. Mit dem Push in den Bereich maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz erscheint es mir aber nur nachvollziehbar, dass Apple noch einmal versucht zu antizipieren, wann welche Informationen sinnvoll zu zeigen sind.

Bild zeigt Alpine-Loop-Armband.

Die Doppeltipp-Geste, als Feature der neuen Hardware, wäre für diese potenzielle Zukunft wegweisend. Sie erkennt kleinere Bewegungen des Handgelenks und die Änderungen im Blutfluss weitaus zuverlässiger als die bisherige Bedienungshilfe. „Assistive Touch“ beherrscht zwar insgesamt mehr Gesten; die „Double tap gesture“ ist davon jedoch eine massentaugliche Auskopplung, mit tatsächlicher Hardware-Integration.

Während die Bedienungshilfe ohne Optimierung direkt auf dem Prozessor in einem expliziten Zeitfenster ausgeführt wird, und deshalb entsprechend Akku schluckt, bekommt die Doppeltipp-Geste ihre Daten vom Beschleunigungs-, Gyro- und optischen Herzsensor.

Bild zeigt Apple Watch Ultra 2 mit Nike-Watchface.

Das Zusammenspiel mit der Software ist allerdings noch ein „work-in-progress“. Das Potenzial schöpft sie erst aus, wenn individuellere Einstellungen pro App möglich sind (nicht nur für die gängigsten Aktionen), und wenn Apple eine vollständige Schnittstelle für Drittanwendungen bereitstellt. Erst dann avanciert die Doppeltipp-Geste zu einem echten Verkaufsargument.

Apple Watch Ultra 2 an Handgelenk auf Schreibtisch.

Apple wirbt mit „der Power des S9 SIP“: 60-Prozent mehr Transistoren gegenüber der Series 8; die GPU ist 30-Prozent schneller und eine neue 4-Kern-Neural-Engine treibt das Chip-Paket an.

watchOS 10 ist ein Hingucker. Ich kann mich an den verspielten Animationen nicht sattsehen; die neue Design-Sprache spricht mich an. In punkto Performance hat mich in den vergangenen Jahren keine Apple-Watch-Generation enttäuscht. Schnell und flüssig war ich gewohnt; jetzt ist es auch extra delightful.

Die neue Prozessorkraft zeichnet aber nicht nur die UI, sondern ermöglicht neue Alltags-Innovationen. „On-device Siri“ reagiert auch dann, wenn ich ohne iPhone den Mülleimer an die Straße schiebe und mich dabei aus dem Wi-Fi begebe. Die akkurateren Sprachdiktate sind (bei meiner geteilten Nutzung auf Englisch und Deutsch) ernsthaft beeindruckend. Sie sind pfeilschnell und helfen beim Festhalten kurzer Gedanken, wenn ich etwa offline um den Häuserblock jogge.

Action-Button der Apple Watch Ultra 2.

Auf das Abrufen und Protokollieren von Gesundheitsdaten mit Siri warten wir noch. Ein Software-Update ist dafür versprochen. Den größten Unterschied macht für mich aber schon jetzt die flottere Spracheingabe sowie die „On-device“-Verarbeitung von Siri-Befehlen.

Richtig überrascht hat mich beim ersten Mal die „genaue Suche“. Die zweite Generation des Ultrabreitband-Chips zeigt präzise und über eine größere Entfernung an, wo ich mein iPhone abgelegt respektive verlegt habe.

Bis dieser Extra-Chip in meine anderen Computer wandert, respektive alle Geräte meiner Familie erreicht, vergehen noch ein paar Jahre. Man kann sich auf diese Zukunft trotzdem schon jetzt freuen.

Vogelperspektive auf Schreibtisch mit Apple Watch Ultra 2 an Handgelenk und Tastatur.

Apple Watch Ultra 2 dreht seine Bildschirmhelligkeit (sehr viel mehr) auf, aber gleichzeitig auch runter. Wir bekommen in Finnland nur wenige Monate im Jahr wirklich grelles Sonnenlicht. 3.000 Nits sorgen dann jedoch für die bessere Lesbarkeit des Bildschirms.

Andersherum dreht die Uhr ihren Screen auf ein einziges Nit zurück – vorher waren zwei Nits das Minimum der ersten Apple Watch Ultra. Ohne eine direkte Gegenüberstellung ist dieser Unterschied nicht nachzuempfinden. Im stockdunklen Schlafzimmer sticht das Watch-Display jetzt jedoch weniger in die Augen.

Apple Watch bietet euch zwar drei Stufen für die Bildschirmhelligkeit, lässt sich aber eigentlich nicht reinquatschen. Während ihr beim iPhone präzise das Leucht-Level wählt, bestimmt die Uhr ganz eigenständig, wann sie sich wie hell dreht. Eure tatsächlichen Eingriffsmöglichkeiten bleiben „Always-on“ und wie lange der Bildschirm nach einer Aktivierung aufleuchten soll (15 oder 70 Sekunden).

Ich erwähne das so explizit, weil die Bildschirmhelligkeit einen signifikanten Anteil am Strom-Budget ausmacht. Apple entschied sich in diesem Jahr es in „Brightness“ zu investieren und etwa nicht in eine längere Akkulaufzeit.

Auf der Apple Watch Ultra ist dieser „Trade-off“ für mich absolut richtig. Apples große Uhr lädt weiterhin flott und läuft problemlos zwei komplette Tage bei normaler Nutzung.

Rückseite der Apple Watch Ultra 2.

Apple Watch Ultra 2 startet 100 Euro preiswerter als im letzten Jahr, verlötet aber den doppelten Speicher. 64 GB dürften die Uhr für einige Jahre zukunftssicher aufstellen. Gleichzeitig gibt es euch die Möglichkeit, größere Mediendateien mitzunehmen. Abseits des Betriebssystems können Apps diesen Speicher ohne Einschränkung für ihre Bedürfnisse nutzen.

Kombiniert mit Alpine oder Trail Loop ist die Ultra 2 Apples erstes vollständig CO₂-neutral produziertes Produkt. Hut ab; aber bitte weiter so! Und gerne mehr Armbänder, die speziell das Design der Apple Watch Ultra berücksichtigen.

Vogelperspektive auf Schreibtisch mit Apple Watch Ultra 2 an Handgelenk und Tastatur.

Apple bewirbt die Ultra für „extreme Bedingungen“; „für den Einsatz mit der größten Spanne an Höhenmetern aller Apple Produkte“.

Aber wisst ihr, was auch „Abenteuer auf dem nächsten Level“ sein kann? Mit Sohnemann über den Fußballplatz rennen oder die Tochter zum Schwimmkurs begleiten. Ich hoffe, es hat sich herumgesprochen, dass die Ultra nicht nur eine Uhr für einen Wüsten-Marathon oder Freitauchen ist.

Trotzdem: Die Ultra könnte (und sollte!) sich durch ihren Action-Button und das größere Display noch deutlicher von den anderen Modellen absetzen. Das „Modular Watchface“ ist ein kleiner Anfang; watchOS zieht insgesamt jedoch noch zu viel auf einen gemeinsamen (kleineren) Nenner.

Apple Watch Ultra 2 Makro-Perspektive mit Trail-Loop-Armband.

watchOS 10 legt die Grundlagen für eine grundsätzlich andere Bedienung. Die Doppeltipp-Geste wird dafür in Zukunft eine zentrale Position einnehmen – auch wenn sie ohne Pauken und Trompeten startet. Ich würde deshalb jetzt keine Uhr ohne S9 SIP mehr kaufen.

Gleichzeitig leben wir heute, im Jahr 2023, aber noch nicht in dieser Zukunft. Deshalb ist es völlig in Ordnung auf seiner Series 6, 7, 8 oder ersten Apple Watch Ultra zu verbleiben.

Allerdings verspreche ich Begeisterung für alle, die ihre ältere Watch bislang mit Freude getragen haben, und sich jetzt für das Upgrade entscheiden.


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