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Das „Hands-on“ gab mir ein Gefühl dafür, wie flott, aber auch fragil eine Satellitenverbindung ausfallen kann. Unter freiem Himmel bedurfte es oft nur 15 Sekunden, bis die Verbindung eingefangen war, und die Notfall-Kurznachricht inklusive GPS-Position verschickt wurde. Näherte ich mich jedoch einem größeren Baum, war das kleine Satelliten-Symbol nicht mehr so zielstrebig festzunageln.

Bild zeigt iPhone mit Notruf-SOS-Bildschirm.

Was ich jedoch nicht wusste: Die Traktorstrahl-Grafik muss nicht zwangsläufig auf das Satelliten-Icon zielen. Das iPhone versucht selbst bei der Anzeige „schlechte Verbindung“ einen Verbindungsaufbau, auch wenn das Verschicken von Nachrichten dann bis zu wenigen Minuten dauern kann.

Die Ausrichtung bleibt entscheidend. Trotzdem kann auch mehrminütiges Abwarten zu einer erfolgreichen Übertragung führen, falls beispielsweise ein vorangegangener Unfall die eigene Bewegungsfreiheit eingeschränkt hat. Man denke hier auch an Autounfälle, bei denen das iPhone oft keine ungehinderte Sicht zum Himmel bekommt.

Bild zeigt das iPhone mit dem Versuch von einem Verbindungsaufbau über einen Satelliten.

Für die taktile Unterstützung bei der Ausrichtungshilfe bemüht das iPhone selbstverständlich seine Taptic Engine. Ich hatte von Apple nicht weniger Liebe zum Detail erwartet.

Es sollte dagegen aber auch niemanden wundern, dass Details über die Zusammenarbeit mit Globalstar, dem Betreiber der Satelliten, weitgehend unbekannt sind. Apple legte zumindest offen, dass die Datenübertragung zwischen dem Satelliten und iPhone das S- und L-Band benutzen. Rund 300 Mitarbeiter:innen betreuen bei Globalstar die 24 Satelliten, die mit rund 26.000 km/h in der niedrigen Erdumlaufbahn (in etwa 1400 km) kreisen, und dadurch den Service für Apple bereitstellen.

Apple investierte in Globalstar kürzlich 450 Millionen US-Dollar aus seinem „Advanced Manufacturing Fund“. Aus diesem Geldtopf zur Förderung von US-Fabrikarbeitsplätzen erhielten bereits Glasspezialist Corning, Face-ID-Zulieferer Finisar sowie LiDAR-Produzent II-VI höhere Finanzspritzen.

Bild zeigt iPhone mit Erklärbildschirm von Notruf SOS via Satellit.

Dedizierte Handgeräte für eine Satellitenkommunikation, so wie die inReach-Taschencomputer von Garmin, besitzen häufig eine klobige Antenne. Man muss nicht extra erwähnen, dass das fürs iPhone keine Option war1.

Trotz schlankem Gehäuse wird die Frequenz der Satelliten erreicht. Laut Apple ist es „eine Kombination aus speziell entwickelten Komponenten und tief integrierter Software“. Übersetzt bedeutet das: Es war verdammt viel Arbeit. Medienberichten zufolge startete dieses Projekt im Jahr 2017.

Neben Hard- und Software ist für das Notruf SOS noch eine zusätzliche Service-Infrastruktur notwendig. Notrufe von iPhones landen nur dann direkt bei Notrufzentralen, wenn sie für den Empfang von Textnachrichten ausgerüstet sind. Ist das nicht der Fall, erhalten Vermittlungszentralen, die Apple mit geschulten und mehrsprachigen Notfallspezialist:innen besetzt, die Notrufe. Sie sind dann dafür verantwortlich, den Kontakt mit den zuständigen Rettungsdiensten (respektive lokalen Behörden) aufzubauen.

Bild zeigt Nachrichten-Verlauf mit Rettungsdienst.

Notruf SOS über Satellit“ bedarf von eurer Seite aus keinerlei Vorbereitung. Nutzer:innen müssen in einer Notsituation nicht darüber nachdenken, ob sie Empfang sie haben. Sie müssen keine spezielle App öffnen und sich nicht überlegen, wie man seine Notsituation schildert. Es muss lediglich die aktuelle iOS-Version installiert sein.

Es hilft jedoch einen Notfallpass (Einstellungen ➝ Health) sowie einen Notfallkontakt (Einstellungen ➝ Notruf SOS) anzulegen. Diese mitunter hilfreichen Informationen werden bei einer Meldung an Rettungskräfte automatisch übermittelt.

Auch wenn Mobilfunkanbieter das böse F-Wort nicht gerne hören: Es gibt sie, diese Funklöcher. Und das iPhone 14 macht jetzt Netz, wo vorher kein Netz war. Auch wenn das im Moment lediglich als Notruf und zur Standortübermittlung in der „Wo ist?“-App dient, empfinde ich das als ziemlich irre.

Notiz a die Layout-Abteilung: „Shocked Face with Exploding Head“-Emoji bitte hier einfügen!

Selbstverständlich möchte man das ausprobieren. Der Demomodus befriedigt diesen nachvollziehbaren Drang – ohne dabei aber verantwortungslos Rettungsdienste mit Notrufen zu belästigen. Und wie im Video bereits gesagt: Über den Verbindungstest kann an einem entlegenen Ort ausprobiert werden, von wo im Ernstfall die ungehinderte Sicht zum Satellit ist. Man denke sich hier das Klischeebeispiel der kranken Oma auf der einsamen Berghütte.

Bild zeigt erfolglosen Anrufversuch und die Option eine Notruf-SMS via Satellit zu verschicken.

Notrufe sind wie Backups: Man denkt erst dann darüber nach, wenn man einmal darauf angewiesen war. Die automatische iCloud-Sicherung ist deshalb dem „Notruf SOS über Satellit“ nicht unähnlich: Beiden geben Sicherheit, selbst wenn man davon nie Gebrauch macht.

Die Umsetzung ist sehr „Apple-ly“! Software und Hardware sind eng verwoben. Die Bedienung ist intuitiv und ins System eingebettet. Von der kostspieligen Infrastruktur hinter der Bühne sieht man nichts.

Ich verschriftliche hier noch einmal meine Wette aus dem Video, weil Apple sich bislang nicht über die zweijährige Gratis-Nutzung nach der Telefonaktivierung hinaus festlegt. Meine Vermutung: Der „Notruf über Satellit“ wird dauerhaft kostenlos bleiben.

Bild zeigt „Wo ist?“-App und die Möglichkeit seinen Standort auch ohne Notsituation zu senden.

Die manuelle Übermittlung von Standortdaten2 ohne Notsituation ist spätestens dann ein bezahltes (iCloud-)Feature, wenn Zwei-Wege-Chat-Nachrichten mit beliebigen Kontaktpersonen möglich wird – außerhalb von „Wo ist?“. In Zukunft sind vielleicht sogar Telefonate vorstellbar.

Die ersten Jahre dürften dabei viele neue Erkenntnisse über die Art und die Häufigkeit der Nutzung liefern. Warten wir mal ab, wann sich das kleine Satelliten-Icon in der „Wo ist?“-App herumgesprochen hat.

Bild zeigt „Wo ist?“-App und Freunde mit Satelliten-Symbol.

iPhones sind dermaßen weit­ver­brei­tet, dass man sich nicht über die erste erfolgreiche Rettungsaktion durch den „Notruf über Satellit“ wunderte – wohlgemerkt nur vier Wochen, nachdem das Feature in den USA gestartet war. Diese Geschichten werden weiter auflaufen, und sie rücken absolut berechtigt das iPhone ins bestmögliche Licht.

Ich glaube aber, dass das Ausmaß der Nutzung selbst Apple-intern bislang nur einer groben Schätzung unterliegt. Dedizierte GPS-Tracker von Garmin lassen sich (beispielsweise für Wanderungen) ausleihen, oder zu teuren Abo-Preisen mieten. Laut eigener Angaben sind bei Garmin darüber 10.000 SOS-Vorfälle eingegangen – allerdings zusammengerechnet in den vergangenen 11 Jahren.

Bild zeigt iPhone bei der Satelliten-Ortung.

Es wird faszinierend zu beobachten, wie iPhones nicht die bestehenden Satelliten-Kommunikationsgeräte ablösen, sondern Menschen helfen, die zuvor keine solche Kontaktmöglichkeit in einer Notsituation hatten.


  1. Trotzdem habe ich diese Offensichtlichkeit hier einmal abgetippt. ↩
  2. In der App „Wo ist?“ kann man den Tab „Ich“ öffnen, nach oben wischen, um „Mein Standort über Satellit“ zu sehen und dann auf „Meinen Standort teilen“ tippen. ↩

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