Als Elon Musk kurz nach seiner Übernahme Twitters erklärte: „[…] Twitter obviously cannot become a free-for-all hellscape, where anything can be said with no consequences!“, schien das eine gute Nachricht für all jene zu sein, die sich um das Aufweichen der Content-Moderationsrichtlinien Sorgen machten. Möglicherweise muss die Öffentlichkeit diese Aussage aber in einem ganz anderen Kontext verstehen. Denn während auf Twitter aufgrund von weniger Moderation bei bedenklichen Inhalten Hate Speech und Fake News ebenso wie rechte Propaganda Aufwind genießen, verbannt der Twitter-Chef inzwischen diverse Konten. Kürzlich wurden die Accounts diverser Journalist:innen gesperrt, weil sie über Musk und über einen Account berichtet hatten, der Standortdaten von Elon Musks Privatjet geteilt hatte und daraufhin ebenfalls verbannt worden war. Darüber hinaus wurde auch der Account der Twitter-Alternative Mastodon gesperrt – ebenso wie Links zu dem dezentralisierten Netzwerk. Die Erklärung Twitters und das Handeln der Plattform selbst rufen Besorgnis hervor.
Account-Sperrungen auf Twitter: Weitere Journalist:innen erwarten bereits ihre Verbannung
Diverse Medien, darunter Mashable, berichten von den gesperrten Konten von Journalist:innen in den USA. Ryan Mac von der New York Times, Donnie O’Sullivan von CNN Drew Harwell von der Washington Post, Micha Lee von Intercept sowie Matt Binder von Mashable gehören zu den Personen, deren Accounts nicht mehr funktionsfähig sind. Ben Collins von NBC News berichtet auf Twitter ebenfalls darüber.
Journalists who cover Elon Musk have been suspended on Twitter tonight: @Donie O’Sullivan from CNN, Aaron Rupar and the Washington Post’s @drewharwell.
Rupar tells me he has “no idea” why it happened.
— Ben Collins (@oneunderscore__) December 16, 2022
Nachdem die Journalist:innen zunächst keinen Grund für die Sperrunge erfahren hatten, gab Twitter eine Erklärung ab. Twitters Head of Trust & Safety, Ella Irwin, erklärte gegenüber Alex Heath von The Verge:
Without commenting on any specific accounts, I can confirm that we will suspend any accounts that violate our privacy policies and put other users at risk.
She points to the policy update made yesterday prohibiting the sharing of “live location information” after Musk said his kid was stalked due to his jet info being available: https://t.co/0zG53rWSS9
“We don’t make exceptions to this policy for journalists or any other accounts.”
— Alex Heath (@alexeheath) December 16, 2022
Damit bezieht sie sich auf eine neue Richtlinie der Plattform. Demnach dürfen keine privaten Informationen von und über Personen ohne deren Zustimmung geteilt werden. Diese Richtlinie wurde eingeführt, nachdem ein Bot Account – kreiert von einem Studenten namens Jack Sweeney – die aktuelle Position von Elon Musks Privatflugzeug ermittelt und geteilt hatte. Dieser Account wurde ebenfalls gesperrt.
Bedenken um die Freiheit auf der Plattform
Während die Accounts der gesperrten Journalist:innen über Twitter, Musk und den Account von Sweeney berichtet haben, hinterlässt die Verbannung einen faden Beigeschmack; vor allem angesichts dieses Auszugs aus der Richtlinie:
[…] However, we recognise that there are instances where users may share images or videos of private individuals, who are not public figures, as part of a newsworthy event or to further public discourse on issues or events of public interest. In such cases, we may allow the media to remain on the platform.
Sie haben also über die Weitergaben der Privatinformationen mit Links auch zum Bot Account berichtet, nicht aber selbst diese Informationen geteilt. Elon Musk, der Twitter zu mehr „Redefreiheit“ verhelfen wollte, wird aufgrund dieser Account-Sperrungen nun um Erklärungen ersucht. So äußerte sich auch Kultautor Stephen King kritisch auf Twitter.
Why have journalists had their Twitter accounts suspended? Please explain. And it had better be a GOOD explanation.
— Stephen King (@StephenKing) December 16, 2022
Auf Mastodon veröffentlichte der gesperrte Journalist Drew Herwell ein Statement von Washington Post Executive Editor Sally Buzbee:

Auch CNN und die New York Times haben Statements abgegeben und Erklärungen gefordert. Zwar hat Twitter inzwischen die Ursache benannt, doch dürfte diese für viele Medien die Besorgnis nur untermauern. Denn im Rahmen dieser Erklärung müssten sämtliche Journalist:innen und Medien, die über Vorkommnisse, Konten oder Personen auch nur berichten, die gegen Twitters (neue) Richtlinien verstoßen, eine Verbannung von der Plattform befürchten. So bangen schon jetzt viele, unter anderem der auf Twitter sehr aktive Social-Media-Experte und -Beobachter Matt Navarra, um ihren Status auf Twitter.
CODE RED: If Elmo perma-bans me from his hellscape tonight…
Find me here:
Geekout Newsletter: https://t.co/ikdp6wbcXv
Instagram: https://t.co/Nn0KQLhlkk
LinkedIn: https://t.co/32SAxMSLB0
TikTok: https://t.co/LyVgsLjlvp
Website: https://t.co/zEzZDAhxaU
— Matt Navarra (@MattNavarra) December 16, 2022
Auch das Mastodon-Konto ist gesperrt
Der Account des dezentralisierten Microblogging-Dienstes Mastodon, den viele Journalist:innen und Tech-Expert:innen inzwischen als Twitter-Alternative nutzen, wurde vor kurzem ebenfalls auf Twitter gesperrt. Bislang gibt es vonseiten Twitters dafür keine Erklärung. Anzunehmen ist jedoch, dass das Konto ebenfalls verbannt wurde, weil Mastodon im eigenen Netzwerk einen Link zum Bot Account geteilt hatte, der Elon Musks Privatjet getrackt und die Standortdaten veröffentlicht hatte.
Links zu Mastodon, die auf Twitter integriert werden, ob in der Bio oder in Tweets, funktionieren unterdessen auch nicht mehr. Diese Entwicklungen besorgen Medienschaffende; und vermitteln ein Bild von Twitter als Plattform, die viel weniger im demokratischen Sinne handelt, als Elon Musk es einst angekündigt hatte. Denn viele der jüngsten Entwicklungen basieren vor allem auf seinen Entscheidungen als Quasi-Alleinherrscher über das Medium.
Powered by WPeMatico