Seit Monaten spricht die gesamte Digitalbranche von ChatGPT. Nachdem die Microsoft-Suchmaschine Bing erfolgreiche einen auf dem KI-Tool basierenden KI-Chatbot in die Suche integriert hat, konnte das Unternehmen einen starken Zugewinn hinsichtlich des Traffics und des Renommees verbuchen. Sogar das große Tech-Unternehmen Samsung soll damit liebäugeln, Bing künftig als Standardsuchmaschine einzusetzen – anstelle von Google. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass sich die Alphabet-Tochter im KI-Wettbewerb nicht abhängen lassen möchte. Eine Antwort auf ChatGPT und die Bing AI wurde mit dem KI-Tool Bard bereits gefunden. Dieser AI Chatbot ist derzeit nur für einige User in den USA und im Vereinigten Königreich verfügbar, soll aber zeitnah für mehr Nutzer:innen der Suchmaschine zur Verfügung stehen. Auch Pläne zur Optimierung von Bard, da mächtiger und umfassender gestaltet werden soll, liegen bereits vor. Unter dem Projektnamen Magi arbeiten die KI-Expert:innen Googles mit Hochdruck an neuen Features – und sogar an einer ganz neuen KI-zentrierten Suchmaschine.

Doch Google Bard könnte viele User nicht nur enttäuschen, sondern nach Ansicht einiger Mitarbeiter:innen des Unternehmens sogar gefährden. Nicht zuletzt deshalb schrieb ein Mitglied der Belegschaft kurz vor dem Launch eine interne Nachricht an tausende Kolleg:innen:

Bard is worse than useless: please do not launch.

Warum Mitarbeiter:innen von Google Vorbehalte gegen den KI-Bot haben

Diese Nachricht liegt Bloomberg vor. Für den Publisher berichten Davey Alba und Julia Love von den Problemen, die das Google-Personal bei Bard hervorgehoben hat. So hat eine Person Bard als „pathologische:n Lügner:in“ bezeichnet, eine andere bezeichnete den KI-Bot als „beschämend“. Darüber hinaus bemängelten viele, die auch der internen Nachricht mit der Warnung vor dem Launch zustimmten, dass Bard oft falsche oder irreführende Antworten gebe. Diese könnten sogar zu Verletzungen oder sogar zu Tod führen; zum Beispiel, wenn die Informationen in Bezug auf Extremsportarten wie das Scuba Diving gegeben würden.

Ob Bard tatsächlich schon marktreif war, als es im März für erste User neben den Test-Nutzer:innen geöffnet wurde, steht weiterhin zur Debatte. Search-Expert:innen, die auf Bard und die Bing AI Zugriff haben, haben inzwischen schon mehrfach einen direkten Vergleich angestellt. Dabei offenbart sich die Bing AI derzeit noch als deutlich funktionsfähiger. Das untermauern zum Beispiel die SEO-Experten Kevin Indig und Eli Schwartz.

Zudem hat sich Bard schon des Öfteren mit fehlerhaften Angaben blamiert, beispielsweise bei der Bewerbung des KI-Bots selbst. Im Lichte der Bedenken der Google Teams ist rasche Weiterentwicklung von Bard für viele, besonders auch KI-Ethik-Forscher:innen, beunruhigend.

Allerdings sind seit der Äußerung der Bedenken schon wieder einige Wochen ins Land gezogen und Bard lernt nicht nur ständig dazu, sondern wird von hochspezialisierten KI-Expert:innen optimiert. Gegenüber Bloomberg erklärte Google-Sprecher Brian Gabriel:

We are continuing to invest in the teams that work on applying our AI Principles to our technology.

Mehr Dringlichkeit für KI-Lösungen als je zuvor

Eine Zeitlang hatte sich Google hinsichtlich einer besonders schnellen Entwicklung der eigenen KI-Search-Lösungen zurückgehalten. Zwar wurde Ende 2022 intern ein sogenannter Code Red ausgelöst, als ChatGPT die Digitalwelt im Sturm eroberte und Google anders als Microsoft noch an keiner konkreten Lösung für einen KI-Chatbot in der Suche arbeitete. Doch obwohl sogar die Unternehmensgründer Sergej Brin und Larry Page zurückgeholt wurden, um neue Lösungen voranzutreiben, wurden KI-Updates zunächst mit Vorsicht entwickelt. Dann aber folgte der rasche Launch von Bard in der Betaversion und auf Basis eines kleineren LaMDA-Sprachmodells. Denn inzwischen ist eine neue Dringlichkeit bei Google eingekehrt. 

Kürzlich führte Google eine Updates Page ein, die den ersten Nutzer:innen sowie Interessierten jetzt konkret auflistet, welche neuen Experimente für KI-Chatbot freigegeben wurden. Ein neues Feature betrifft den „Google it“ Button, welcher für Antworten von KI-Bot Bard mehr Kontext und verwandte Themen anzeigt.

Während Google jetzt versucht, die eigenen KI-zentrierten Suchmechanismen, insbesondere in Bezug auf den Chatbot Bard, zu einem Branchenstandard zu machen – für den Bing bereits eine Blaupause zu bieten scheint –, muss sich das Unternehmen mit den Bedenken von KI-Expert:innen auseinandersetzen. Meredith Whittaker, Präsidentin der Signal Foundation und  Senior Advisor für AI bei der Federal Trade Commission, erklärt gegenüber Bloomberg:

AI ethics has taken a back seat.

Unterdessen müssen sich auch andere Unternehmen auf Gegenwind für KI-Lösungen einstellen. Denn ChatGPT von OpenAI wird in Europa derzeit auf die Vereinbarkeit mit der DSGVO hin überprüft, die laut einigen Beobachter:innen nicht gegeben ist. In Italien wurde der Dienst bereits gesperrt, in Deutschland ist dieses Szenario ebenfalls gut vorstellbar, so der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber. Die KI-Tools und -Systeme sind gekommen, um zu bleiben. Und Microsoft CEO Satya Nadella hat durchaus recht, wenn er sagt: „The age of AI is upon us.“ Doch die Potentiale, die Unternehmen mit ihren Lösungen aufrufen, sollten nicht unreguliert die Digitallandschaft beeinflussen. Dafür sind sie oft noch zu unausgereift, was OpenAI, Google und Co. sogar selbst betonen. Womöglich hat aber der Wettlauf zwischen Regulierungsbestrebungen und Optimierungen bereits begonnen.


Im Sprint gegen Bing AI:

Google bald mit ganz neuer KI-Suchmaschine?

© FLY:D - Unsplash, Google-Schriftzug gespiegelt auf Glasfassade, rund
© FLY:D – Unsplash

Powered by WPeMatico

Teile diesen Beitrag