Amazon bereitet sich aktuell auf den größten Stellenabbau in der Geschichte des Unternehmens vor. Jetzt kündigte das Unternehmen Preiserhöhungen an, die zwar nicht unerwartet sind, aber in einer angespannten Phase kommen. Des Weiteren kommen nach einer Pilotphase in den USA zum 1. März 2023 immense Veränderungen hinsichtlich der Kapazitätsgrenzen auf FBA (Fulfillment by Amazon) Seller zu.

Änderungen im Überblick

Amazon setzt derzeit die bereits erwarteten Preisanpassungen für den Versand und allen damit verbundenen Diensten um. Die Änderungen betreffen verschiedenste Logistikbereiche. Zudem verschmelzen die für Seller, welche bei Amazon Ware lagern, wichtigen Kennzahlen Auffüllbeschränkung und Lagerbestandsmaxima zu einer neuen Kapazitätsgrenze. Unter anderem handelt es sich um folgende Preisänderungen und neue Kapazitätsgrenzen (Auszug):

  • Erhöhung der FBA-Versandgebühren im Schnitt um 6,2 Prozent
  • Änderungen der Verkaufspreislimits für das Small and Light-Programm (bis elf Euro möglich)
  • Erhöhung der Small and Light-Versandgebühren um 7,9 Prozent
  • Aufschläge für die Lagerung in Abhängigkeit der Lagerauslastung
  • Verschärfung bei Langzeitlagergebühren
  • Änderungen bei den Kategorieprovisionen
  • Steigerung der Entsorgungs- und Remissionsgebühren um über 20 Prozent

Gegenüber OnlineMarketing.de erklärt Stephan Bruns, Geschäftsführer und Gründer der Amazon Agentur REVOIC:

Die vielen Änderungen haben zum Ziel, Lagerflächen bei Amazon zu entlasten und Seller dazu zu bringen, Ware nur noch für schnelldrehende Artikel bei Amazon einzulagern. Mit steigenden Kosten für einer längere Lagerung bei Amazon, steigt mit jedem Produkt auch das Risiko, den Warenbestand noch pünktlich abzuverkaufen. Steigende Rücksendekosten machen es zudem unattraktiver, Ware in hohen Mengen einzulagern, falls diese später nicht verkauft werden kann. Seller müssen nun einmal mehr nachrechnen, inwieweit sich das Versand durch Amazon Programm noch lohnt. In Zeiten von steigenden Preisen werden diese Erhöhungen bei Lagerung, Versand und Rücksendung die Preisspirale auf Amazon weiter nach oben treiben.

Erhöhung der Versandgebühren für FBA, Small and Light und Lagergebühren: Das ändert sich ab dem 31. März für Amazon Seller

Ein- bis zweimal im Jahr dreht Amazon für gewöhnlich an der Preisschraube und passt die Versandgebühren für den FBA Service an. Nach dem Ausbleiben einer Preisanpassung im Herbst 2022 fällt die aktuelle Erhöhung für den 31. März 2023 nun umso ausführlicher aus. Wir haben dir die Änderung in den folgenden Absätzen zusammengefasst:

Versandgebühren für FBA steigen im Schnitt um 6,2 Prozent

2022 gab es zwei Preiserhöhungen, zunächst um rund sechs Prozent im März und die letzte im Mai 2022 mit einem Treibstoff- und Inflationszuschlag in Höhe von 4,3 Prozent. Dieses Jahr fällt die Preiserhöhung mit im Schnitt 6,2 Prozent (für lokalen Versand) ähnlich aus.

Versandgebühren für Amazon Seller ab dem 31. März 2023, © REVOIC

Besonders betroffen ist der Bereich der Übergröße. Hier steigen die Preise überproportional. Deutschland kommt mit einer Steigerung von im Schnitt rund zwei Prozent noch relativ günstig weg. Viele Größenbereiche sind hier auch gar nicht von einer Steigerung betroffen. Neben Frankreich (3,2 Prozent) liegen die Steigerungen ansonsten deutlich über fünf Prozent.

Small and Light zukünftig für Produkte bis elf Euro möglich

Amazon ändert die Preisgrenze für Artikel im Small and Light-Programm in Frankreich, Italien und Spanien von elf Euro auf 12 Euro, in Deutschland von zehn Euro auf elf Euro und im Vereinigten Königreich von neun auf zehn Pfund (GBP). Der Schwellenwert in den Niederlanden liegt bei 12 Euro, bei 140 Schwedischen Kronen und 55 Zloty in Polen. Damit geht Amazon einen wichtigen Schritt, das besonders günstige Versandprogramm nun noch mehr Sellern zugänglich zu machen und gleichzeitig den gestiegenen Verkaufspreisen gerecht zu werden.

Versandgebühren für Small and Light steigen um 7,9 Prozent

Amazon erhöht auch die Versandkosten für Small and Light. Diese steigen in Deutschland durchschnittlich nur um 1,5 Prozent, im Vereinigten Königreich hingegen um 15 Prozent. Im Schnitt kommen Erhöhungen von 7,9 Prozent auf die Seller zu, die das Programm für besonders leichte und günstige Artikel nutzen.

Versandgebühren für Small and Light ab dem 31. März 2023, © REVOIC

Erhöhung der monatlichen FBA-Lagergebühren um zehn Prozent

Amazon ändert zum 1. März 2023 die monatlichen Lagergebühren für alle Produkte in Standardgröße mit Ausnahme von Gefahrgut. Erhöht werden die Gebühren für Artikel in Standardgröße (ausgenommen Schuhe, Bekleidung und Taschen) von 27,82 Euro auf 30,60 Euro (plus zehn Prozent) im Januar bis September und 38,52 Euro auf 42,37 Euro (plus zehn Prozent).

Beispielrechnung: Neue FBA-Lagergebühren ab dem 31. März 2023, © REVOIC

Diese Änderung wirkt sich das erste Mal im April 2023 aus. Die Gebühr für Gefahrgüter und Produkte in Übergröße bleibt unverändert.

Rabattaktion für Kategorien Bekleidung und Accessoires läuft weiter

Seller, die in den Kategorien Bekleidung und Accessoires verkaufen, profitieren weiterhin von besonders günstigen Verkaufsgebühren. Ursprünglich sollte die Rabattaktion am 31. März 2023 enden, jedoch setzt Amazon das Programm für Artikel, die über Versand durch Amazon und Prime durch Verkäufer:innen verkauft werden, zukünftig doch fort. Die in den Kategorien Bekleidung und Accessoires verkauften Produkte erhalten einen Rabatt von sieben Prozent (vorher 15 Prozent) für den Teil des Gesamtverkaufspreises (der 45 Euro übersteigt) auf die Verkaufsgebühr. Im Bereich Schuhe und Handtaschen wird die Aktion jedoch zum 31. März 2023 beendet.

Neuzuordnung der Verkaufskategorien

Amazon sortiert einige Produkttypen neuerdings anderen Produktkategorien zu. In einer Liste stellt Amazon dar, welche Produkte künftig wie einsortiert werden. Dies kann dazu führen, dass dein Produkt in einer anderen Kategorie und somit mit einer anderen Verkaufsprovision berechnet wird. Ab dem 15. Mai 2023 wird etwa für Produkte der Kategorie Elektronikzubehör für Autos und Motorräder die gleiche prozentuale Verkaufsgebühr erhoben wie für sonstige Produkte im Bereich Elektronikzubehör. So ändert sich die prozentuale Verkaufsgebühr von einer Pauschalgebühr von 12 Prozent auf 15 Prozent für den Teil des Gesamtverkaufspreises von bis zu 100 Euro und acht Prozent für den Teil des Gesamtverkaufspreises über 100 Euro. Für die Kategorie Fahrradzubehör gilt dann dieselbe Verkaufsgebühr wie für Sport- und Freizeitprodukte, was zu einer Änderung der prozentualen Verkaufsgebühr von zehn Prozent auf 15 Prozent führt.

Einführung neuer Größen- und Gewichtsklassen

Amazon passt erneut die Gewichts- und Größenklassen an. Hier dürfen große und extragroße Umschläge zukünftig mit 960 Gramm deutlich schwerer sein. Der Standardumschlag erhält eine weitere, neue Gewichtsklasse von 460 Gramm.

Neue Amazon-Größen und -Gewichtsklassen (gültig ab dem 1. März 2023), © REVOIC

Auch die Versandtarife für Sonderübergrößen werden eingeführt. Als Sonderübergöße wird eine ASIN gezählt, wenn sie entweder über 31,5 Kilogramm wiegt, die längste Seite länger als 175 Zentimeter lang ist oder der Umfang 360 Zentimeter überschreitet. Die Mindestverkaufsgebühr für Artikel, die als schwer und nicht sortierbar klassifiziert sind, beträgt 25 Euro.

Versandgewicht für die Bestimmung der Versandgebühr

Vor einem Jahr hatte Amazon das Volumengewicht eingeführt. Nun gibt es hier noch eine weitere Anpassung. Amazon wird zukünftig den jeweils höheren Wert von Stückgewicht oder Volumengewicht nutzen, um das Versandgewicht für alle Paketgrößenkategorien zu bestimmen. Folgende Tabelle zeigt, für welche Produkte welches Gewicht zum Tragen kommt.

Versandgewicht bei Amazon ab dem 1. März 2023, © REVOIC

Das Volumengewicht in Kilogramm berechnet sich mittels Länge x Breite x Höhe in cm³ geteilt durch 5.000.

Anpassung der Langzeitlagergebühr

Amazon bringt eine neue Anpassung für Artikel, die zwischen 271 und 330 sowie 331 und 365 Tagen gelagert werden, ins Spiel. Die bisherige Langzeitlagergebühr wird also wie früher schon einmal in verschiedene Altersbereiche eingeteilt. Ab dem 15. Mai 2023 wird die bisher geltende Langzeitlagergebühr für die Ware, die zwischen 331 und 365 Tagen (zehn bis 12 Monate) in Logistikzentren gelagert wird, über alle Produktkategorien hinweg erhoben. Neu ist nun zudem noch eine weitere Stufe für Ware, die zwischen 271 und 330 Tagen gelagert wird (neun bis zehn Monate). Eine Ausnahme gibt es hierbei für die folgenden Kategorien: Bekleidung, Schuhe, Koffer, Rucksäcke & Taschen, Uhren und Schmuck.

Erstmals gelten die Änderungen mit einer Lagerbestandsprüfung am 15. Mai 2023. Seller sollten also unbedingt vor diesem Datum ihre Altbestände prüfen. Nicht betroffen ist die Langzeitlagergebühr ab 365 Tagen, die nach wie vor mit 320 Euro pro Kubikmeter und Monat zu Buche schlägt.

Veränderungen der Amazon-Langzeitlagergebühr ab 15. Mai 2023, © REVOIC

Aufschlag für die Lagernutzung

Amazon führt einen Aufschlag für die Lagernutzung von Sellern ein, die im Verhältnis zu den letzten wöchentlichen Verkäufen sehr viel Lagerbestand in Amazon-Logistikzentren gelagert haben (die Änderung ist unabhängig von der neuen Kapazitätsgrenze). Neben der monatlichen Lagergebühr basiert der Aufschlag auf der Lagerauslastung. Amazon prüft hier das Verhältnis deines durchschnittlichen täglichen Lagerbestandsvolumens in Kubikmeter und teilt durch das durchschnittliche tägliche Versandvolumen in Kubikmeter im Laufe der letzten 13 Wochen. Beispiel: Für Lagerbestand, der im April 2023 eingelagert wird, wird am 31. April die Lagerauslastung berechnet. Die Aufschläge auf die Lagergebühren werden dann für Mai 2023 angewendet. Amazon sagt hierzu:

Wir erheben einen einzelnen Aufschlag für die Lagernutzung für Lagerbestand, der in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien gelagert wird, sowie einen separaten Aufschlag für die Lagernutzung im Vereinigten Königreich. Wenn Sie im Vereinigten Königreich und in anderen europäischen Ländern verkaufen, werden Ihnen maximal zwei unterschiedliche Aufschläge für die Lagernutzung berechnet.

Der Zuschlag gilt nur bei einer Lagerauslastung von über 26 Wochen und für Produkte, die nicht in die Kategorien Bekleidung, Schuhe oder Taschen fallen. Wenn du die Kriterien für den Aufschlag für die Lagernutzung erfüllst, wird der Aufschlag deiner monatlichen Grundgebühr für die Lagerung hinzugefügt und auf das durchschnittliche Tagesvolumen des Platzes angewendet, den dein Lagerbestand im Logistikzentrum einnimmt. Das führt zu einer insgesamt höheren monatlichen Lagergebühr.

Aufschlag für die Lagernutzung bei Amazon in der Nebensaison ab dem 1. Mai 2023, © REVOIC
Aufschlag für die Lagernutzung bei Amazon in der Hauptsaison ab dem 1. Oktober 2023, © REVOIC

Neue Entsorgungs- und Remissionsgebühren steigen deutlich

Amazon passt die Entsorgungs- und Remissionsgebühren an. Die Remissionsgebühren, sprich die Gebühren, um einen Artikel aus dem Amazonlager zurückholen zu lassen, steigen um rund 20 Prozent.

Neue Remissionsgebühren bei Amazon in der Hauptsaison ab dem 1. März 2023, © REVOIC

Die Entsorgungsgebühren (also die Gebühr, wenn du einen Artikel von Amazon vernichten lässt) steigen um rund 25 Prozent.

Neue Entsorgungsgebühren bei Amazon in der Hauptsaison ab dem 1. März 2023, © REVOIC

Rabatte für UK und neue FBA-Artikel

Weiterhin gelten Rabatte für den Verkauf von Artikeln auf dem UK-Marktplatz. Für einen Aktionszeitraum von einem Jahr bietet Amazon einen Rabatt auf europäische Versandgebühren von der EU (Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien) in das Vereinigte Königreich und umgekehrt an. ASINs, welche neu zu Versand durch Amazon hinzugefügt werden, erhalten einen durchschnittlichen Rabatt von zehn Prozent (zuvor fünf Prozent).

Änderung beim Umsatzsteuerberechnungsservice

Der Umsatzsteuerberechungsservice ist ein Tool, das von vielen Sellern genutzt wird, um Kund:innenrechnungen von Amazon erstellen zu lassen und für Amazon Business Nettopreise ausweisen zu können. Amazon ändert hier zum 30. Juni 2023 die Art und Weise, wie prozentuale Verkaufsgebühren berechnet werden. Bisher war es so, dass Amazon die Verkaufsgebühr ausgehend vom Bruttopreis berechnete. Nun wird nur noch der tatsächlich gezahlte Verkaufspreis als Grundlage für die Verkaufsgebühr genutzt.

Diese Änderung gilt jedoch nicht für Werbeaktionen wie Blitzangebote, Gutscheine oder Coupons, Gratisprodukte und rabattierte Produkte, von Amazon finanzierte Rabatte und exklusive Prime-Rabatte. Bei Werbeaktionen berechnet Amazon weiterhin prozentuale Verkaufsgebühren auf den Gesamtverkaufspreis, der von Käufer:innen bezahlt wird. Amazon führt dazu einige Beispiele auf:

Beispiel 1: Grenzüberschreitende Business-to-Business-Transaktion ohne Werbeaktion

Angenommen, du nutzt den Umsatzsteuer-Berechnungsservice mit deutschen und österreichischen Umsatzsteueridentifikationsnummern. Du bietest den Artikel für 11,90 Euro bei Amazon.de an, versendest den Artikel aus Deutschland und verkaufst den Artikel an einen österreichischen, umsatzsteuerpflichtigen Business-to-Business-Kund:innen mit Sitz in Österreich. Der Umsatzsteuersatz beträgt null Prozent aufgrund der innergemeinschaftlichen Warenlieferung.

Die aktuellen prozentualen Verkaufsgebühren werden auf zehn Euro berechnet, den Preis ohne Umsatzsteuer, der wie folgt berechnet wird: 11,90 Euro / (1 + 0,19) = 10,00 Euro.

Ab dem 30. Juni werden die prozentualen Verkaufsgebühren auf 11,90 Euro erhoben.

Beispiel 2: Grenzüberschreitende Business-to-Business-Transaktion mit Werbeaktion

Du nutzt den Umsatzsteuerberechnungsservice von Amazon mit deutschen und österreichischen Umsatzsteueridentifikationsnummern. Du bietest einen Artikel für 11,90 Euro bei Amazon.de an und aktivierst ein Blitzangebot mit einem Rabatt von zehn Prozent. Der Artikel wird aus Deutschland versendet und an eine:n in Österreich umsatzsteuerpflichtigen Business-to-Business-Kund:in verkauft. Der Umsatzsteuersatz beträgt null Prozent aufgrund der innergemeinschaftlichen Warenlieferung.

Die aktuellen prozentualen Verkaufsgebühren werden auf neun Euro berechnet, den Preis ohne Umsatzsteuer nach Abzug des Rabatts der Werbeaktion, der wie folgt berechnet wird: (11,90 Euro x 0,9) / (1 + 0,19 Euro) = 9,00 Euro.

Ab dem 30. Juni werden die prozentualen Verkaufsgebühren weiterhin auf neun Euro erhoben.

Beispiel 3: Grenzüberschreitende Business-to-Consumer-Transaktion ohne Werbeaktion

Du nutzt den Umsatzsteuerberechnungsservice von Amazon mit deutschen und österreichischen Umsatzsteueridentifikationsnummern. Du bietest den Artikel für 11,90 Euro bei Amazon.de an, versendest den Artikel aus Deutschland und verkaufst den Artikel an eine:n private:n Kund:in in Österreich. Der Umsatzsteuersatz beträgt 20 Prozent, da der Umsatzsteuerberechnungsservice den Steuersatz des Ziellandes anwendet.

Die aktuellen prozentualen Verkaufsgebühren werden auf 12 Euro berechnet, den Preis mit Umsatzsteuer, der wie folgt berechnet wird: (11,90 Euro / (1 + 0,19)) x (1 + 0,2) = 12 Euro.

Ab dem 30. Juni werden die prozentualen Verkaufsgebühren auf 11,90 Euro erhoben.

Fazit zur Erhöhung der Versandgebühren und weiteren Anpassungen für Amazon Sellern

Es war schon zu erwarten, dass es nach dem Ausbleiben einer Preisanpassung im Herbst 2022 nun eine ausführliche Anpassung geben wird, da Amazon meistens ein- bis zweimal pro Jahr die Preise anzieht. Insgesamt fällt die Erhöhung der Preise wie erwartet aus und liegt im üblichen Bereich. Viele Seller haben sich inzwischen darauf eingestellt und planen diese Erhöhungen frühzeitig ein.

Dennoch kommt die Preiserhöhung in einer angespannten Phase. Amazon versucht, die Auslastung der Lagerflächen zu optimieren. In Zeiten von übervollen Lagern sicherlich eine logische Entscheidung. Das letzte Jahr war für viele Seller eher umsatzschwach. Auch das Weihnachtsgeschäft konnte die ausbleibenden Umsätze nicht ausgleichen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die damit einhergehende Inflation drückt auf die Kauflaune. Da Amazon an gleich mehreren Stellen Preise erhöht, dürfte in den kommenden Monaten ein deutlicher Preissprung auf Amazon zu verzeichnen sein. Seller müssen jetzt noch genauer kalkulieren. Die verschiedenen FBA-Versandmodelle, aber auch die Möglichkeit des Eigenversands, sollten gegeneinander abgewogen werden. Oft lohnt sich das genaue Hingucken, denn so können ungenutztes Potential oder versteckte Kosten aufgedeckt werden.

Amazon ändert Kapazitätsgrenzen für FBA

Viele Seller standen in Zeiten von extremen Nachfrageverschiebungen vor der Herausforderung, ausreichend Lagerbestand bei Amazon einlagern zu dürfen. Amazon begrenzte durch Lagerbestandsmaxima ausgehend vom Lagerbestandsindex (LBI) und zusätzlich durch eine Aufffüllbeschränkung, wie viel Ware bei Amazon eingelagert werden durfte.

Was ist neu: Kapazitätsgrenze ersetzt Auffüllbeschränkung und Lagerbestandsmaximum

Nach einer Pilotphase in den USA kommt nun zum 1. März eine große Veränderung auf FBA-Seller zu. Von da an verschmelzen die für Seller, welche bei Amazon Ware lagern, wichtigen Kennzahlen Auffüllbeschränkung und Lagerbestandsmaxima zu einer neuen Kapazitätsgrenze. Die Berechnung der Kapazitätsgrenzen für Versand durch Amazon erfolgt zukünftig nur noch nach Volumen anstatt nach Einheiten. Wie schon bei der Auffüllbeschränkung wurde hier im Gegensatz zum Lagervolumen bereits mit Einheiten gerechnet. (Einheiten sollen weiterhin sichtbar bleiben, die aber nun anhand des Volumens berechnet werden). Dies ist notwendig, um zukünftig ein Bieter:innenverfahren für zusätzlich gewährte Lagerflächen in Kubikmeter einzuführen.

Die neue Kapazitätsgrenze für FBA wird weiterhin vom LBI und weiteren Faktoren wie Umsatzprognose, Anlieferzeit und Kapazität der Amazon-Logistikzentren beeinflusst. Für jeden kommenden Monat werden die zukünftigen Kapazitätsgrenzen am Ende des Vormonats per E-Mail bekanntgegeben.

Mehr Lagerfläche bei Amazon gegen Gebühr reservieren

Wenn du zusätzliche Kapazität brauchst, etwa weil du von einer Beschränkung aufgrund eines schlechten LBI betroffen bist oder ein neues Produkt launchen möchtest, bei dem du mit einer sehr hohen Nachfrage rechnest, kannst du zukünftig zusätzliche Lagerfläche beantragen. Hierfür hat sich Amazon ein komplexes System ausgedacht: Du gibst ein Gebot für die zusätzliche reservierte Fläche ab und bestimmst so einen maximalen Preis pro Kubikmeter, den du bereit bist zu zahlen, die sogenannte Reservierungsgebühr. Hier kommt das Gebotsverfahren zum Tragen, was die Gebote verschiedener Seller zusammenbringt und den tatsächlich zu zahlenden Preis pro Kubikmeter bestimmen wird. Amazon berechnet dir (ganz ähnlich wie beim CPC bei Amazon Advertising – nur, dass mehrere Anbieter:innen den Zuschlag erhalten können) aber immer das geringste Gebot der verfügbaren Fläche.

So kannst du bis zu 20 Prozent des ursprünglichen Maximums oder maximal 50 zusätzliche Kubikmeter, je nachdem, welcher Wert höher ist, an zusätzlicher Lagerfläche beantragen. Die Freigabe erfolgt so: Amazon prüft seine verfügbaren Kapazitäten. Ist Kapazität verfügbar, werden ausstehende Anträge beginnend bei der höchsten Reservierungsgebühr genehmigt. Zahlen müssen Seller hierbei nicht im Voraus, sondern erst nach Verrechnung möglicher Gutschriften (siehe nächster Absatz). Die neue Lagerkapazität wird auch bereits für den Vormonat der eigentlichen Kapazitätsphase während der Anlieferung gewährt. Dazu ein Beispiel: Wenn vom 1. bis zum 30. April eine Kapazitätserhöhung von fünf Kubikmetern und vom 1. bis 31. Mai eine Kapazitätserhöhung von zehn Kubikmetern genehmigt wurde, erhältst du von 1. bis 30. April eine Zusatzkapazität von zehn Kubikmetern. Amazon schreibt:

[…] Unsere Kriterien für die Gewährung von Anträgen sind vollkommen objektiv. Wir beginnen mit der höchsten Reservierungsgebühr und fahren in dieser Reihenfolge fort, bis die gesamte zugewiesene Kapazität gewährt wurde. Die zugewiesene Kapazität steht Ihnen für den gesamten angegebenen Zeitraum zur Verfügung. Diese Zusatzkapazität kann Ihnen auch bis zu einem Monat vor dem gewünschten Zeitraum zur Verfügung stehen. So können Sie Sendungen erstellen, um Lagerbestand an Amazon zu senden, damit dieser in dem von Ihnen gewünschten Zeitraum in unserem Netzwerk verfügbar sein kann. Anmerkung: Ihre Gebühr ist möglicherweise niedriger, als Sie in Ihrem Antrag angegeben haben. Für alle Verkäufer, deren Anträge in derselben Woche bewilligt werden, gilt die niedrigste bewilligte Reservierungsgebühr, unabhängig von der ursprünglich von Ihnen angegebenen Reservierungsgebühr.

Gutschriften (bei effizienter Nutzung zusätzlicher Lagerfläche)

Wird dein Antrag auf zusätzliche Lagerfläche genehmigt, wird die Reservierungsgebühr später mit Gutschriften der aus der eingelagerten Menge entstandenen Verkäufe verrechnet. Du erhältst für jeden Euro Umsatz, den du mithilfe dieser Zusatzkapazität während des gewünschten Lagerzeitraums erzielst, eine Gutschrift von 0,15 Euro von Amazon. Amazon berechnet anteilig den Umsatz des genutzten Volumens. Welche Produkte für den Umsatz verantwortlich sind, scheint an dieser Stelle egal zu sein.

Du gehst also eine Wette ein, wie wichtig dir die zusätzliche reservierte Fläche ist. Wenn du die Fläche dann gut einsetzen und die Ware verkaufen kannst, erhältst du als Belohnung bis zu 100 Prozent der Reservierungsgebühr zurückerstattet. Nutzt du die Kapazität nicht effizient genug, wird am Ende die Gebühr höher als die Gutschrift ausfallen und dir berechnet. Bei der Berechnung der Gutschriften für Verkäufer:innenleistung zählen aber nur die Umsätze, die während des gewählten Zeitraums der Reservierung erzielt wurden.

Der neue FBA-Kapazitätsmanager

Obwohl das Feature erst im März startet, kannst du schon jetzt im sogenannten Kapazitätsmanager einsehen, welche Lagerfläche dir voraussichtlich ab März eingeräumt wird:

Beispiel FBA-Kapazitätsmanager: Basis-Kapazität für März 47,61 Kubikmeter und im April 44,58 Kubikmeter verfügbare Lagerfläche, © REVOIC

Die Schätzungen können nach oben oder unten variieren, je nachdem, wie effizient Sie die Kapazität nutzen (gemessen an Ihrem Lagerbestandsindex) und wie viel Aufnahmevermögen und Mitarbeiter wir in unseren Logistikzentren zur Abwicklung und Annahme Ihrer Sendungen zur Verfügung haben,

erklärt Amazon. Ist das Amazon-Lager also bereits voll oder die Vereinnahmung bei Amazon im Stau, wird dies bedeuten, dass diese Zahl dann auch noch sinken kann.

Anträge zur Erhöhung der Lagerkapazität stellen

Wenn du nun zusätzliche Lagerfläche benötigst, kannst du einen entsprechenden Antrag stellen:

Antrag zur Erhöhung der Lagerkapazität für Amazon Seller, © REVOIC

Dabei gibst du an, für welchen Zeitraum du welches Gesamtvolumen benötigst. Zusätzlich gibst du ein Maximalgebot pro Kubikmeter ab, dass du bereit bist, für die zusätzliche Lagerfläche zu investieren. Du musst noch ein Ablaufdatum des Antrags angeben, falls dieser nicht vorher von Amazon freigegeben wird.

Der Kapazitätsmanagerrechner

Für die Frage danach, welche Rückerstattungen auf zusätzliche Verkäufe entstehen werden, hat Amazon einen Excelrechner bereitgestellt, den sogenannten Kapazitätsmanagerrechner. Im Folgenden zeigen wir dir, wie dieser funktioniert:

Der Kapazitäts-Manager-Rechner für Amazon Seller, © REVOIC

Im ersten Schritt lässt sich angeben, wie viel Lagerfläche bisher genutzt und um wie viel Kapazität diese erweitert werden soll. Du gibst zudem an, mit welchem Gesamtumsatz du durch die Lagererweiterung rechnest. Amazon versucht anhand des zusätzlich erwirtschafteten Umsatzes zu errechnen, welche Rückerstattung du erhalten wirst. In diesem Beispiel werden 47 Kubikmeter Lagerfläche angesetzt und diese soll um fünf Kubikmeter erweitert werden. 50.000 Euro Umsatz werden im Zielzeitraum erwartet.

In Schritt zwei berechnet Amazon hieraus eine Erhöhung von 9,6 Prozent Lagerfläche und einen anteiligen Umsatz von 4.808 Euro. Bei einer Erstattung in Höhe von 0,15 Euro pro Euro Umsatz entspricht die Gutschrift 144,23 Euro.

In Schritt drei errechnet Amazon nun ein maximales Gebot für das zusätzliche Lagervolumen, welches bei diesem Umsatz genau der Gutschrift entsprechen würde (Du zahlst also nichts) und gibst zusätzlich an, wie dies bei 20 Prozent Unterdeckung oder 20 Prozent Überschreitung ausfallen würde.

Was sich nicht ändert

Es ändert sich nichts an der Berechnung der Kapazitätsgrenzen. Wie schon bei der Auffüllbeschränkung berücksichtigen auch Kapazitätsgrenzen Lagerbestand, der in den Amazon-Logistikzentren vorrätig ist, sowie erstellte Sendungen, die noch nicht eingebucht wurden.

Wie bisher fallen Überbestandsgebühren an, wenn verfügbarer Lagerbestand in den Amazon-Logistikzentren (offene Sendungen ausgenommen) gewährte Kapazitätsgrenzen überschreitet. Die Überbestandsgebühren werden auf Basis des höchsten geschätzten oder bestätigten Grenzwerts berechnet, den Amazon für den jeweiligen Zeitraum angegeben hat. Hier muss also vor Erweiterung des Lagers unbedingt genau kalkuliert werden. Die Überbestandsgebühren betragen 320 Euro pro Kubikmeter und Monat, also rund elf Euro täglich.

Was das für Seller bedeutet

Amazon schützt sich einmal mehr vor dem Überlaufen der Lager und übergibt gleichzeitig mehr Verantwortung bei der genauen Planung der Lagerfläche an die Seller. Amazon begründet den Schritt basierend auf Feedback von Sellern und mit einer damit einhergehenden Planungssicherheit und Kontrolle über den eigenen Lagerbestand.

Es ist zu begrüßen, dass Seller eine Option erhalten, zusätzlichen Lagerbestand zu erhalten. Eine Erhöhung der Auffüllmenge war bisher nur über einen eigenen Ansprechpartner:innen auf der Amazon-Seite möglich. Was erstmal nach Erleichterung klingt, die Komplexität von zwei auf eine Kennzahl zu reduzieren, bringt aber Probleme mit sich, die in der Komplexität der neuen Funktion stecken.

Niemand kennt den potenziellen Marktpreis pro Kubikmeter

Wie in unserem Beispiel oben zu sehen, errechnet sich die Gutschrift immer anteilig am Gesamtumsatz der Periode. Es ist also zu erwarten, dass Seller immer eine Gutschrift erhalten, solange überhaupt Produkte im Account verkauft werden. Dies führt jedoch zu einem absurden theoretischen Reservierungspreis. Wer saisonal unabhängigen Umsatz hat, kann hier also hoch pokern und wird wahrscheinlich auf keinen Kosten sitzenbleiben. Drehen wir das Beispiel um, landet das maximale Gebot mit 13,64 Euro schnell deutlich darunter.

Gutschriften für Verkäufer:innenleistung schätzen, © REVOIC

In sich wirkt das System also noch nicht schlüssig und könnte zur High Season (Prime Day, Black Friday und Weihnachten) wieder viele Seller vor die gleichen Probleme voller Lager stellen.

Mit mehr Lagerfläche könnten sich Seller zusätzlich gefährden

Zusätzliche Lagerfläche mag bei einer schlechten Lagerbestands-Performance eine zusätzliche Chance bieten, der Situation zu entfliehen. Jedoch verschärft sich diese dadurch nur noch mehr, da die zusätzliche Fläche noch mehr Druck auf den LBI aufbaut. Fraglich bleibt, wer sich die zusätzlichen Flächen zudem sichern wird. Große Unternehmen werden hier versuchen, möglichst flexibel zu bleiben. Am Ende führt das dann zur gleichen Begrenzung von kleineren Sellern, die sich hohe Lagerpreise vielleicht nicht leisten können oder möchten.

Zudem scheint der Umsatz als Messlatte für Erstattungen die falsche Kennzahl zu sein. So werden hochpreisige und kleine Produkte besonders belohnt und große und günstige Produkte übermäßig benachteiligt. Wünschenswert wäre ein simples System gewesen, welches die bestehenden Daten nutzt, um faire Bedingungen zu schaffen. Vielleicht wird hier aber von Amazon zukünftig noch nachgebessert. Es sollte somit gut überlegt sein, wann Seller die Chance für mehr Lagerfläche auch wirklich nutzen. Dazu müssen sich Seller ein genaues Bild über die Abverkäufe und Warenflüsse machen. Das wird nicht zu weniger Arbeit auf der Sellerseite führen.

Amazon Seller standen zuletzt durch die starken Nachfrageverschiebungen vor der Herausforderung, ausreichend Lagerbestand bei Amazon einlagern zu dürfen. Denn Amazon begrenzte durch Lagerbestandsmaxima ausgehend vom Lagerbestandsindex (LBI) und zusätzlich durch eine Aufffüllbeschränkung, wie viel Ware bei Amazon eingelagert werden durfte. Nun bringt Amazon eine ganz neue Möglichkeit für Seller, die FBA nutzen, ins Spiel, sodass diese zusätzliche Lagerfläche erhalten können.

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